Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts war der Wörthersee ein besonders wichtiges kulturelles Zentrum. Vor allem im Sommer trafen sich Kunstschaffende, Mäzene und künstlerisch begeisterte Amateure an den Gestaden des Wörthersees. Auch wohlhabende Wiener, wie Wahliss und Lobmeyr, Inhaber berühmter Porzellanmanufakturen, oder Dr. Karl Kupelwieser (Sohn des Wiener Malers Leopold Kupelwieser), verheiratet mit Bertha, geborene Wittgenstein, haben Pörtschach zum Ziel ihrer Sommerfrische auserkoren und hier ihre herrlichen Villen erbauen lassen.
Es waren jedoch die Komponisten, die der Wörthersee Region ihren klangvollen Namen gaben. Eine Vielzahl international bedeutender, ja epochemachender Werke wurden hier geschaffen. So schrieb z.B. Gustav Mahler mehr als die Hälfte seiner Symphonien in Kärnten, Alban Berg verbrachte seine entscheidenden kompositorischen Jahre in Auen bei Velden, und Johannes Brahms verbrachte die Sommermonate der Jahre 1877 bis 1879 in Pörtschach am Wörthersee.
„Pörtschach am See heißt unser Ort, die Eisenbahnstation heißt Maria Wörth. Hier ist es allerliebst, See, Wald, darüber blauer Bergebogen, schimmerndes Weiß im reinen Schnee, Krebse gibt es massenhaft. Das Wirtshaus heißt Werzer, das Beste nämlich und behaglichste, denn es gibt mehrere …“
So schrieb der 44jährige Brahms, schon auf der Höhe seines Ruhmes angelangte Meister, als er 1877 seinen ersten Sommeraufenthalt in Kärnten nahm. Herz und Sinne gingen ihm auf, als er diesen schimmernden Vorgarten Italiens zum ersten Male betrat, und gibt seiner frohen Überraschung fast in jedem Briefe Ausdruck.
„Für künftige Sommer empfehle ich Euch die hiesige Gegend!
Ich meinesteils gehe auch im Sommer künftig nicht ohne besonderen
Grund aus Österreich hinaus!“ (an Dessoff)
Im Jahre 1877 bezog er zwei kleine Zimmer der Hausmeisterwohnung im Schloss. Gewiss hätte Brahms seinen Pörtschacher Sommeraufenthalt in der engen Hausmeisterwohnung – sie kostete nur 30 Gulden – mit Vergnügen absolviert, wenn er nicht den musikalischen major domus des herrschaftlichen Schlosses hätte darin abgeben müssen. Er siedelte 1878 in das jenseits der Straße, näher dem See gelegene Krainerhäuschen über, wo er auch 1879 den ganzen ersten Stock mietete, um ungestört zu bleiben. Zwar musste er das Achtfache bezahlen, dafür war er aber vor den unmittelbaren Attacken seiner liebenswürdigen Quälgeister (Baronin von Pausinger, Fräulein Postdirektor Antonia Christl u.a.) gesichert und konnte sich ihrer Kontrolle entziehen. Denn mehr als die Kreuzottern in dem berüchtigten Schlangennest der Ruine Leonstein fürchtete er die mit Palette und Malstuhl im Gebüsch lauernde Baronin, und lieber als ein Rendezvous mit dem auf Rehe pirschenden Freiherrn war ihm eine Begegnung mit dem Geiste des Moosburger Karlmann oder ein Stelldichein mit der singenden und tanzenden Wasserfee des wild einsamen Worstniggsees (Forstsee am Techelsberg), die er so schön in seinem h-moll Capriccio (op.76, Nr. 2) komponierte.
Von seiner zweiten Pörtschacher Wohnung aus konnte er in aller Frühe, so wie ihn Gott geschaffen hatte, in den See steigen, was ihm ein ganz besonderes Vergnügen machte. Zwischen vier und fünf Uhr nahm er sein selbstbereitetes Frühstück ein und verlief sich dann mit den ersten Sonnenstrahlen in der labyrinthischen grünen Nacht des Bann- und Klosterwaldes, der wie das Schloss, seit 1816 dem Benediktinerstifte St. Paul im Lavanttale gehörte. Am Stammtische des Werzerschen Wirtsgartens erledigte er am Nachmittage seine geschäftlichen Angelegenheiten und ruhte am Abend unter den Erlen der Seewirtschaft Resian aus, wo ihm seine Tischgenossen, Ingenieur Miller, einer der ältesten Villenbesitzer, der Ortsarzt Dr. Leopold, Staatsanwalt Dr. Semmelrock, Dr. Heiß, der Klagenfurter Gerichtspräsident, und Hotelier Werzer kärntnerische Volkslieder singen mussten.
Das Pörtschacher Triennium ist einer der ertragsreichsten Abschnitte im Leben des Komponisten gewesen. Mit Ausnahme der ebenfalls in diese Zeit gehörenden, aber im Februar 1878 in Wien geschriebenen „Walburgisnacht“ und der drei anderen, in op.75 enthaltenen Balladen und Romanzen, sowie der Motette „O Heiland, reiß´ die Himmel auf“, die auf frühere Tage zurückgehen, sind sämtliche Werke von op.73 – 79 in Pörtschach komponiert worden: die Zweite Symphonie, die Motette „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen?“, fünf von den acht Klavierstücken op. 76, das Violinkonzert, die G-dur Sonate für Pianoforte und Violine, die „Zwei Rhapsodien“ und „Studien“ für das Pianoforte und die neue Folge der „Ungarischen Tänze“. Die Kraft ihrer blühenden Erfindung wie die vollendete Meisterschaft und der Reichtum ihrer Formen stellen sie in die vorderste Reihe der Brahmsschen Schöpfungen.
Brahms gedachte gern seiner Pörtschacher Sommer und er schrieb 1890 von Ischl an seinen Freund und Biograph Max Kalbeck nach Maria Wörth: „Gefreut aber hat mich und meine Gedanken angenehm beschäftigt Ihre Adresse. Schöne Sommertrage kommen mir in den Sinn und unwillkürlich Manches, mit dem ich dort spazieren ging, so die D-dur Symphonie, Violinkonzert und Sonate G-dur, Rhapsodien und derlei. Und lebt denn der alte Hausschild noch? Nämlich der alte, höchst lustige und frivole Pfaffe dort? Sein Lachen hörte man über den See (buchstäblich) und seine sehr schlimmen Witze bis Wien“… (Unter Hausschild ist Haudegen, Draufgänger zu verstehen. Philipp Kointsch war von 1864 – 1889 Pfarrer in Maria Wörth.)
Die Aufgabe der Johannes-Brahms-Gesellschaft Pörtschach besteht darin, die kulturelle Identität des Wörthersee Gebietes im Sinne einer Anknüpfung an die historischen Wurzeln wiederzubeleben und ein Ort internationaler kultureller Begegnung zu sein, wofür mit dem Internationalen Johannes Brahms Wettbewerb und den Preisträgerkonzerten eine ideale Plattform geschaffen wurde.